Das
universitätspolitische
Programm
Seit einigen Jahren befinden sich
die Universitäten wie die gesamte
Wissenschaftslandschaft in einem beschleunigten
Umbauprozess, der von den Veränderungen der
politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen
bestimmt ist: Der Wettbewerb zwischen den
Universitäten wird dabei nicht nur auf nationaler
Ebene vorangetrieben, sondern zusehends auch in
europäischer und globaler Perspektive. Politik und
Wirtschaft erwarten von deutschen Universitäten,
international konkurrenzfähige Forschung und
(Aus-)Bildung zu realisieren und die
Studierendenzahlen auszubauen Gleichzeitig werden
vermehrt wirtschaftspolitische Interessen an
Forschung und Lehre gekoppelt, um die internationale
wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit Deutschlands zu
verbessern.
Diese Erwartungen sind mit
überschuldeten Staats- und Landeshaushalten kaum zu
erfüllen, zumal zu erwarten ist, dass die für
Universitäten bereitgestellten öffentlichen Mittel
längerfristig günstigstenfalls auf dem jetzigen
Niveau verbleiben.
Wie soll die Universitätspolitik auf
die gewachsenen bildungs- und wirtschaftspolitischen
Erwartungen reagieren, wenn gleichzeitig der
Mittelzufluss allenfalls stagniert? Gängige
Schlagworte sind hier „Modernisierung“,
„Profilierung“ und „Rationalisierung“. Dagegen ist
grundsätzlich nichts einzuwenden, solange dies nicht
eine ausschließliche Fokussierung auf Moden in Lehre
und Forschung bedeutet.
Universitäten haben einen
Forschungs- und Bildungsauftrag, der weit über
ökonomische und wirtschaftliche Erwartungen hinaus
reicht und sich nicht alleine anhand von
Effizienzkriterien messen lässt. Universitäten
müssen beim Einsatz ihrer Ressourcen natürlich
verantwortungsvoll auf den gesellschaftlichen
Verwertungsnutzen ihrer Angebote achten. Sie haben
gleichzeitig aber auch die Pflicht zur Ermöglichung
einer von externen Zwängen befreiten, kritischen
Forschung und Ausbildung.
Angesichts dieser Herausforderungen
hat die Dichotomie von „progressiv“ und
„konservativ“ an Bedeutung verloren. Das gab im
Rahmen der Senatswahlen 2006 den Ausschlag zur
Gründung unserer Neuen Liste – die seither in der
universitären Gremienarbeit an der Gestaltung der
beschriebenen Herausforderungen konstruktiv
mitzuwirken und die Diskussionen um die Zukunft der
Universität zu bereichern versucht. Bewusst versteht
sich die Neue Liste als offene und breite Plattform
für die Setzung neuer universitätspolitischer
Impulse. Im Zeichen der Kriterien ‚Transparenz‘,
‚Vielfalt‘ und ‚reflektierte Modernisierung‘ will
sie weiterhin die in der Vergangenheit wenig
realisierten Potentiale professoraler Beteiligung
mobilisieren.
Transparenz
Modernisierung ist
erfolgreich, wenn die Gruppen und Einzelpersonen der
Universität ihre Kräfte vereinen, ihren Einsatz
optimieren und gemeinsame Ziele anstreben. Die
Universität sollte deshalb vor allem eine
transparente Universität sein. Jenseits formaler
Entscheidungsmechanismen streben wir ein Klima des
Dialoges unter breiter Beteiligung der
Professorenschaft an der Diskussion über die Zukunft
der Universität an. Eine aktiv in die Geschicke der
Universität eingreifende Universitätsleitung soll
den offenen Beratungsprozess auslösen und begleiten.
Das Gebot der Transparenz hat auch angesichts der
durch das derzeitige Rektorat eingeleiteten Reformen
seine Bedeutung nicht verloren.
Vielfalt
Der Standort
Tübingen mit seinen gewachsenen Strukturen von
Natur-, Lebens-, Kultur-, Sozial- und
Geisteswissenschaften besitzt eine reiche
Ausgangsbasis und sollte sich als Volluniversität
profilieren. Zugleich sollten Möglichkeiten für eine
erleichterte interdisziplinäre Zusammenarbeit in der
Forschung zwischen den Organisationseinheiten
verstärkt geschaffen werden.
Die historisch
gewordenen Gegebenheiten der Tübinger Universität
sind eine Chance, um die uns viele Universitäten
beneiden. Sie sollten weder aufgegeben noch
konserviert, sondern produktiv fortentwickelt
werden, um auf der Basis lokaler Gegebenheiten
erfolgreich am internationalen Wettbewerb teilnehmen
zu können.
Reflektierte Modernisierung
Kontinuierliche
Modernisierung ist für die Entwicklung einer
Universität von zentraler Bedeutung. Sie darf
allerdings nicht zum Selbstzweck werden. Eine bloße
Orientierung an aktuellen Trends, die blind macht
für möglicherweise langfristig katastrophale Folgen,
ist zu verhindern. Forschung und Lehre sollten sich
an den Idealen von Bildung und Humanität orientieren
und sich zugleich an der Lösung gesellschaftlicher
Probleme beteiligen. Universitäre Angebote haben
sich nach wie vor an den Zielen der Aufklärung zu
orientieren und dürfen nicht allein einem
ökonomisierten politischen Kalkül überlassen werden.
Mit der Schaffung, Bereitstellung und Verbreitung
von Wissen übernehmen Universitäten eine wesentliche
Aufgabe für die Gesellschaft, der sie umgekehrt auch
Rechenschaft und Reflexivität schulden.
Wir plädieren für eine verstärkte
Beteiligung der Professoren und Professorinnen aller
Fachrichtungen am universitären Gestaltungsprozess.
Reflektierte Modernisierung ist nur möglich, wenn
die Professorenschaft gemeinsam mit allen Gruppen
und Gremien die Zukunft der Universität transparent
diskutiert und gestaltet. Zu unseren Zielen im
Rahmen einer Verbesserung der Bedingungen für
Forschung und Lehre gehört der Dialog über folgende
drängende Themen:
-
Kritische Begleitung der
Auswirkungen der neuen Fakultätsstrukturen der
Universität
-
Fachspezifische transparente
Leistungskriterien für WissenschaftlerInnen,
Schaffung von Anreizen und Herstellung
wettbewerbsgerechter Bedingungen für alle
Fächergruppen
-
Verbesserungen bei der
Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und
Professorenschaft, Schaffung von
Verwaltungsstrukturen, die den neuen
Anforderungen in Forschung und Lehre entsprechen
-
Erhöhung der Attraktivität einer
universitären Karriere für
NachwuchswissenschaftlerInnen, Etablierung einer
modernen, innovativen und nachhaltigen
Nachwuchsförderung
-
Transparenz bei der Konzeption
und Umsetzung der Hochschulausbauplanung und der
Steuerung von Veränderungen im Lehr- und
Forschungsangebot der Universität
-
Studierbare, flexible und
attraktive Studiengänge, in denen sich –
ungeachtet differenzierter Profile – die
wissenschaftliche Qualität der Ausbildung und
die Berufsorientierung nicht ausschließen
-
Familienfreundlichere Gestaltung
der Universität, Verbesserung der
Kinderbetreuung, Erhöhung des Frauenanteils –
v.a. in akademischen Führungspositionen
-
Verbesserung
der universitären Lebens- und Arbeitsqualität,
Förderung kultureller Angebote und akademischer
Gemeinschaftsveranstaltungen z.B. durch
Einrichtung eines Faculty
Club
Letzte Änderungen am 30.
September 2015, Tilman
Berger
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