Probeklausur 'Wittenwiler, Ring'

  1. Der obresten trivaltichait,
  2. Marien, muoter, rainen mait,
  3. Dar zuo allem himelschen her
  4. Ze lob, ze dienst und auch ze er,
  5. Den guoten zlieb, ze fröden schein,
  6. den bösen zlaid, ze hertzen pein
  7. Schült es hörren so zehant
  8. Ein puoch, daz ist "der ring" genant
  9. (Mit einem edeln stain bechlait),
  10. Wan es ze ring umb uns beschait
  11. Der welte lauff und lert auch wol,
  12. Was man tuon und lassen schol.
  13. Chain vingerli ward nie so guot
  14. Sam ditz, gehabt in rechter huot.
  15. In dreu schol ez getailet sein
  16. Besunder nach den sinnen mein.
  17. Daz erste lert hofieren
  18. Mit stechen und turnieren,
  19. Mit sagen und mit singen
  20. Und auch mit andern dingen.
  21. Daz ander kan uns sagen wol,
  22. Wie ein man sich halten schol
  23. An sel und leib und gen der welt:
  24. Daz hab dïr für daz best gezelt.
  25. Daz dritte tail dïr chündet gar,
  26. Wie man allerpest gevar
  27. Ze nöten, chrieges zeiten
  28. In stürmen, vechten, streiten.
  1. Also leit des ringes frucht
  2. An hübschichait und mannes zucht,
  3. An tugend und an frümchät.
  4. Nu ist der mensch so chlainer stät,
  5. Daz er nicht allweg hören mag
  6. Ernstleich sach an schimpfes sag,
  7. Und fräwet sich vil manger lai.
  8. Dar umb hab ich der gpauren gschrai
  9. Gemischet unter diseu ler,
  10. Daz sei dest senfter uns becher,
  11. Gschaiden doch mit varwen zwain:
  12. Die rot die ist dem ernst gemain,
  13. Die grüen ertzaigt uns törpelleben.
  14. Doch vernempt mich, welt ïr, eben!
  15. Er ist ein gpaur in meinem muot,
  16. Der unrecht lept und läppisch tuot,
  17. Nicht einer, der aus weisem gfert
  18. Sich mit trewer arbait nert;
  19. Wan der ist mïr in den augen
  20. Sälich vil, daz schült ïr glauben.
  21. Secht es aver ichts hie inn,
  22. Das weder nutz noch tagalt pring,
  23. So mügt ïrs haben für ein mär,
  24. Sprach Hainreich Wittenweilär.




Aufgaben

  1. Übersetzen Sie Vers 1-28 ins Neuhochdeutsche
  2. Gliedern Sie den Prolog (= Vers 1-52) und erläutern Sie typische Prologelemente im Vergleich mit anderen mittelalterlichen Prologen (höfischer Roman und/oder Lehrdichtung).
  3. Diskutieren Sie die Bedeutung der im Prolog angekündigten Markierung des Werks durch farbige Linien anhand kontroverser Stellen aus dem gesamten Roman und nehmen Sie zu der Frage Stellung, ob der Text der Gattung Lehrdichtung zugeordnet werden kann.
Zeit: 4 Stunden
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