In der mündlichen Prüfung ist entscheidend, wie
Sie mit dem Ihnen vorgelegten Textstück umgehen können; dort, wo Sie beim Lesen
oder Übersetzen stocken, werden die Prüfer einhaken — umgekehrt ergeben sich
aus dem Text wichtige Verbindungsmöglichkeiten zu den sprachlichen Themen.
Darum gilt
— der Vortrag muß gut akzentuiert sein,
Längen und Kürzen klar unterscheiden und syntaktische Zusammenhänge deutlich
vorführen.
— Metrische Nachfragen lassen sich
ersparen bzw. als Bonuspunkte einfahren, wenn die offene Tonsilben der
zweisilbigen männliche Kadenzen und die Nebenbetonungen in den klingenden
Kadenzen deutlich gelesen sind.
— Der eigene Überlegvorgang muß den
Prüfern transparent gemacht werden; grundsätzliche Probleme des Übersetzens aus
dem Mittelhochdeutschen laut thematisieren („Bei dem Ausdruck Minne überlege ich, ob ich ihn mit
‘Liebe’ übersetze oder den Begriff so stehen lasse, da es sich wohl um eine
Personifikation handelt“).
— Sich selbst und die Prüfer auf
Standardübersetzungsfallen aufmerksam machen; dazu gehören neben den bereits
erwähnten ‘false friends’ (frouwe/ Frau)
v.a. die Bedeutungsverschiebung bei den Präterito-Präsentien/ Modalverben (ich mag = ich kann); die andere
Verwendung von Konjunktionen (Mehrdeutigkeit von und und wan), Negationen
(exzipierende ne-Sätze).
— Auf die stereotypen Nachfragen nach den
Verbformen gefaßt sein: bei starken Verben möglichst Ablautklassen
internalisiert haben, ansonsten sich wichtige Erkennungskriterien merken, um
auf diese ersatzweise verweisen zu können („das fehlende Dentalsuffix/der
Ablaut/die endungslose Imperativform zeigt, daß es sich um ein starkes Verb
handelt“), bei schwachen Verben auf die Bildungsmöglichkeiten (führen zu fahren etc), bei den Präteritopräsentien auf ihren modalen
Charakter eingehen.
— Um sich selbst und den Prüfern die
Strukturierung zu erleichtern, sich im Vorhinein Querverbindungen zwischen den
eigenen Prüfungsgebieten überlegen und versuchen, diese am Text
wiederzufinden.
— Dem Prüfer signalisieren, daß man die
Frage verstanden hat und in welchen Schritten man sie beantworten will; eigene
Unklarheiten/fehlendes Wissen in Frageform kleiden und Alternativen offerieren.
®
Insgesamt: Üben Sie die Redeform
mündliche Prüfung spielerisch und ernsthaft als einen Gedächtnissport ein, an
(noch) unbekannten Gebieten ebenso wie an schon präparierten — und verlieren
Sie nicht den Spaß an den mittelalterlichen Themen!
® Aufgabe
für den ‚Examenstag’
Für
ein beliebiges mündliches Thema (z.B. ‚starke Verben’, ‚Metrik’ oder ‚Tristan’)
ein DIN A4-Blatt erstellen, das enthält:
1.
Definition des
Themas in einem Satz,
2.
einen Absatz
‚Basisfakten’ (d.h. Dinge, die auswendig zu wissen sind),
3.
ein
mittelhochdeutsches Zitat, das auf jeden Fall angebracht werden kann,
4.
Stichpunkte zu
möglichen Querverbindungen a) zu anderen eigenen Prüfungsthemen, b) zu
Lieblingsthemen des Prüfers, c) zu Linguistik und NDL,
5.
einen Satz, warum
dieses Thema relevant und spannend ist!