Walther von der Vogelweide: 'Mailied'
Überlieferung:C: I-VI; M:(= Carmina burana!) III; IV; s: VA: II I III VI (Lutold von Seven)
I (L 51,13)
Muget ir schouwen waz dem meien
wunders ist beschert?
seht an pfaffen, seht an leien,
wie daz allez vert.
grôz ist sîn gewalt:
ine weiz obe er zouber künne;
swar er vert in sîner wünne,
dân ist niemen alt.
II (L 51,21)
Uns wil schiere wol gelingen.
wir suln sîn gemeit,
tanzen, lachen unde singen,
âne dörperheit.
wê wer wære unfrô?
sît die vogele alsô schône
singent in ir besten dône,
tuon wir ouch alsô!
III (L 51,29)
Wol dir, meie, wie dû scheidest
allez âne haz!
wie dû walt und ouwe kleidest,
und die heide baz!
diu hât varwe mê.
«dû bist kurzer, ich bin langer»,
alsô strîtents ûf dem anger,
bluomen unde klê.
IV (L 51,37)
Rôter munt, wie dû dich swachest!
lâ dîn lachen sîn.
scham dich daz dû mich an lachest
nâch dem schaden mîn.
ist daz wol getân?
owê sô verlorner stunde,
sol von minneclîchem munde
solch unminne ergân!
V (L 52,7)
Daz mich, frouwe, an fröiden irret,
daz ist iuwer lîp.
an iu einer ez mir wirret,
ungenædic wîp.
wâ nemt ir den muot?
ir sît doch genâden rîche:
tuot ir mir ungnædeclîche,
sô sît ir niht guot.
VI (L 52,15)
Scheidet, frouwe, mich von sorgen,
liebet mir die zît:
oder ich muoz an fröiden borgen.
daz ir sælic sît!
muget ir umbe sehen?
sich fröit al diu welt gemeine:
möhte mir von iu ein kleine
fröidelîn geschehen!
Aufgaben: 1. Übersetzen Sie das Lied ins Neuhochdeutsche
2. Zeichnen Sie den Argumentationsgang des Liedes nach und
weisen Sie dabei auch auf Motivparallelen und Aufbausymmetrien zwischen den
Strophen hin.
3. Welche Kategorisierungsmöglichkeiten
(Gattungszugehörigkeit?) bieten sich bei dem Lied an?
Zusatzfrage: Welche Dimensionen erschließen sich, wenn man berücksichtigt, daß das Lied für den gesungenen Vortrag gedacht war? Vgl. Sie dazu die (hypothetische) Melodie, die Maurer dem Lied zugeordnet hat: