Erhard Gross: 'Geographischer Traktat'[1]

 [f. 74v] an dem tag hub er an der selb zu schreiben und zusamenseczen das püchlein, das hernach volget, [f. 75r] von etlichen sachen des himels, von dem irdischen paradeiß und von dem gelobten lande und Jerusalem.

ich hab nicht gesehen mit leiplichen augen, do ich itzunt von schreib, und zusamen hab gelesen in ein pürdlein dises gegenwertigen püchlein. doch hat mich bewegt das zu thun innikeit und begir ze beschauen in den gedancken der pildung die geschefft gotes, in den er besundern wunderlich ist und wunder hat volbracht. vil hab ich auch gefrogt mit fleiß von den, die do sein gewesen in dem gelobten lande und habens durch wandert als ferr, als das möchte gesein. in den andern dingen hab ich mich beholffen auß der bibeln der heiligen schrifft; [f. 74v] aus Josepho in den püchern, die er nenet 'Antiquitatum' und 'De judaico bello'; aus Wilhelmo von Pareiß in den puchern, die er nennet 'De universo';[2] aus Wilhelmo, der erczpischoff ist gewesen in Thyro, in den püchern, die er hat verschriben, wie das gelobte land wider quam in der cristen gewalt noch christi gepurt bei tausent jaren in macht der teuschen fürsten und volks, des der herczog und fürer was Gotfrid auß Flandern;[3] und auch aus den puchern Alberti, den man Magnum haist, der von Laugingen was, ein Swab und pischoff ze Regenspurg,[4] und nach eim armen sinn spricht: Ach wer do vernichtete die erd und land, do got leiplich ist gesehen, gehört und die heiligen durch der lerr der glaub ist an uns kommen. und der hat ein clain glauben und innikeit, die zu haben ist. was, ab sie inne haben unglaubige menschen, nichtzen wenn vil böser leut besassen sie, do got sprach zu Moysi und auch Josue: zeuch dein schuch von dein fussen, wann die erd, do du auff steest, die ist heilig. darumb und sie zu haben vor der zukunft christi also grosse dinck sein begangen. darumb das sie gelobt wart den ersten unsers glauben vetern Abraham, Ysaac und Jacob, und die auch in ir wollten begraben werden mit iren weibern und kindern, als Joseph ward dot einpracht auß Egipten [...]

hie hebt sich an die rede [von] dem gelobten lande. davon merck!

Cze reden nu von dem gelobten lande, das unser lieber herre Jesus Christus hat seiner heiligen gepurt auserwelt, und ist dorinn gesehen, gehort, und hatz umbgangen selb als ein warer mensch in wunderzaichen und ist zu Jerusalem gestorben an dem heiligen creuz, an dem dritten tage nach seim grab von dem tod aufferstanden, und zu himel auffgestigen in aigner macht, und hat do volbracht alles, das von im verschriben ist in den propheten. das do not ist gewesen ze erlößen menschlichs geslechts aus der gewalt des teuffels. hirumb, wer diß püchlein list von dem land, der wiß, das das hie verschriben, das ist genommen aus andern schrifften, die do sprechen, das sie haben die erden und land durch gangen von dan bis Bersabee und nach anweissung der augen mit grossem fleiß beschaut und geschecztt in iren mainungen und auch der, die mit in sein gangen. doch magß wol sein, das man anderswo leicht anderß saget, paide von dem, das hie verschrieben ist und gesehen, und auch von dem wege von Nürmberg biß in die stat ze Jesusalem etc.

das unterschaid zwischen Nürnberg und Jerusalem in dem weg für venedig etc.

[f. 82r] von Nürenberg biß gegen venedig sein lxxxiiij [84] deutsche meyl; von venedig piß gegen Baff, die da ist die erst stat des cyprischen reichß, sein auff dem mer zwaytausent und achthundert welscher meil, und in der schiffung ligen auff paiden seiten vil inseln und stete von ersten von venedig zu der rechten hant leit Branucial, aber man sicht sein nit, und Clarehan zu der lincken. item hernach aber zu der rechten hant Silicia, das mag man auch nit gesehen, und zu der lincken Maduna[5]. item darnach leit Creth und die erd Styo auff die recht hant, und man ir nicht sicht. und Rodus zu der lincken. so fert man darnach von der stat Baff hundert welisch meil biß gegen Linizau. von Linizau fert man aber auff dem mer, oder geht zu fuß auff der erden hundert welisch meil biß gegen Famogostam.[6] von Famogosta fert man hundert welsch meil zeruck in dem merr piß zu dem portt Linisau und von dem portt fert man auff dem merr dreihundert welsch meil piß gegen Yaff und da hebt sich an das gelobte lande.

von Yaff sein drei deutsche meil piß in die stat Ramathan. und von Ramathan sechs gute deutsche meil biß gegen Jerusalem, und von dem fuß des pergs, do Jerusalem auff leit, gett man ein halbe meil gegen perg piß in die stat. so heist die pfortt, die wir eingen von teuschen landen, Sant stephan pfortt [f. 82v], und sie hieß vor zeiten Porta Effraim, und sie hat zu der lincken hant ein spital. Alse sein von Nüremberg gegen Jerusalem über land und wasser vierhundert und xx [420] deutsche meil.

das sei darumb geschrieben ze enpfahen den gaist der innikeit gegen den heiligen steten, an der under heil volbracht ist, und ab wir nicht sie leiplichen sehen mügen und durchwandern, so gee wir doch do hin in peten, und peten in dem jar eins zu eren, lob und in dancknemikeit den leiden unsers lieben herrn Jesus Christus also vil Pater noster, als vil meiln Jerusalem leit von underm land. [...]

das Jerusalem ist das mittel der erden und von den die den tempel inn haben

das ertreich umb Jerusalem, das ist der nabel der ganczen erden. so ist auch ein stain in der kirchen zu Jerusalem, über den unser lieber herre hatt selber gesprochen als man das kündigt und geczaigt mit dem vinger, das ist das pungt der erden. Jerusalem leit Arabia von dem anfang, Egiptus von dem mittag, von dem untergang das grosse mer und die land des römischen reichs, von der mitternacht Syria und das Cyprisch mere. also ist von alter Jerusalem gewest ein stat des pettz und innikeit allen geslechten, die unter dem himel sein, also das auch spricht Lucas in Actibus Apostolorum.

und es ist ein grosß wunder, das solche grosse dingk sich do haben verlauffen, die den waren christenglauben kündigen, und doch alle zeit piß auff disen tag mancherlai glaub die stat hat bessessen. Auff disen tag won in dem tempel sechßerlay menschen mit den cristen, und ein igliche partei hat sein wonung. die cristen heissen sie latini, die den glauben halten mit uns, und die haben den alter auff unseres herren grab [...]



[1]   Text nach Stadtbibliothek Nürnberg, Cent vIII 16, f. 74v–105v = Kopie der autographen Werksammlung Breslau, UB, cod. I Qu 77, f. 63v–89v (1436) durch einen Mitbruder von Groß im Nürnberger Kartäuser­kloster (1442). Die Werksammlung umfaßt das Cordiale, den Geographi­schen Traktat, das Nonnenwerk und die Grisardis. Leider fehlen gerade im Geographischen Traktat in beiden Handschriften entscheidende Passagen durch Blattverlust: in der Breslauer der ganze Prolog (vgl. Eichler, S. 50f; dort auch fehlerhafter Abdruck des Prologteils der Nürnberger Fassung), in der Nürnberger der zweite Prologteil und die ersten sechs Kapitel. Transkriptionsprinzipien (kurz gefaßt): Ausgleich von i/j/y, u/v/w; Auflösung der Abkürzungen; verein­heitlichung von s- und r-Formen und der Getrennt- und Zusammenschreibung von Pronomina; durchgeführte Kleinschreibung bis auf Eigennamen; Interpunktion eingefügt.

[2]   Wilhelm von Auvergne († 1249): ‚De universo', engl. Übs. 39 A 14410.

[3]   Wilhelm von Tyrus († 1186): ‚Chronik' (eine Geschichte der Kreuzfahrerstaaten, hg. im CC 63); der Text war laut LexdMA eigentlich nur in F und GB verbreitet. (R.C. Schwinges: W. v. T.: vom Umgang mit Feindbildern im 12. Jahrhundert, in: FS Graus 1992, S. 155–169).

[4]   ? Evtl. die Albertus Magnus zugeschriebene Fassung von Thomas von Cantimpré ‚Buch der Natur'? Oder aus einer exegetischen Schrift zum Pentateuch?

[5] Methone an der Süd-Westküste des Peleponnes. Clarehan = Clarenza?

[6] Famagusta und Limassol auf Zypern.