Projekte
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1) Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfigur in Literatur und Kunst des Mittelalters (Teilprojekt B04 zusammen mit Dr. Daniela Wagner im SFB 1391 „Andere Ästhetik“)
Das interdisziplinäre Teilprojekt B04 untersucht die in der Literatur und den Bildkünsten des Mittelalters häufig begegnende Personifikation als Handlungsträgerin. Als ein Phänomen der Sprache und der Imagination besetzt die Personifikation eine intermediale Schnittstelle und öffnet sich aus dieser Position heraus zur Reflexion poetologischer und bildkünstlerischer Aspekte. Die These ist, dass gerade handelnde Personifikationen ein darstellerisches Potential entfalten, das oftmals einen spezifisch ästhetischen Sinnüberschuss erzeugt. Ziel ist es, die Personifikation auf ihre Leistungsfähigkeit als Reflexionsfigur im Rahmen einer vormodernen Ästhetik hin zu befragen.
Nähere Informationen finden sich auf der Homepage des SFB: https://uni-tuebingen.de/forschung/forschungsschwerpunkte/sonderforschungsbereiche/sfb-andere-aesthetik/
2) Habilitationsprojekt: Exkurse im höfischen Roman (abgeschlossen)
Die Literatur ist einer der vielschichtigsten Quellenbereiche, auf den die historische Anthropologie in ihrem Bemühen um eine Archäologie vergangener Verhaltensmuster und Vorstellungsinhalte zugreift. Es ist jedoch nicht leicht zu rekonstruieren, welches allgemeine Menschenbild und welches Verständnis von den psychologischen Abläufen im Menschen hinter mittelalterlichen Darstellungen liegen und wie diese poetisch vermittelt werden. Das Projekt zielt darauf, die diskursive Verschränkung mittelalterlicher Aussagen über den Menschen und sein Inneres vom Zentrum eines literarischen Corpus her aufzuschlüsseln, die Rezeption vorhandener Wissenspositionen sowie ihre produktive Fortschreibung im volkssprachigen literarischen Medium zu identifizieren. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Gattung des höfischen Romans, in der die Kommentarstruktur der Exkurse als bevorzugter Ort für anthropologische Überlegungen erscheint: Chrétiens de Troyes ›Yvain‹, Hartmanns von Aue ›Iwein‹ sowie der ›Tristan‹ Gottfrieds von Straßburg liefern Zeugnisse um die Wende vom 12. zum 13. Jh., der ›Reinfried von Braunschweig‹ und Johanns von Würzburg ›Wilhelm von Österreich‹ geben Auskunft über die folgende Jahrhundertwende.
Das Corpus wird durch weitere literarische Gattungen wie vor allem den Sangspruch oder allgemein reflektierende Lieder des Minnesangs ergänzt, um zu analysieren, wie sich die reflektierenden Passagen in einen allgemeinen, gattungsübergreifenden Diskurs über den Mensch einschreiben. Da für jeden der fünf Romanautoren eine lateinische Bildung vorauszusetzen ist, nimmt auch die Rezeption gelehrten Wissens eine wichtige Rolle ein. Der inhaltliche Zugriff auf die anthropologischen Reflexionen des höfischen Romans wird ergänzt durch einen poetologischen: Es soll eine Poetik der Reflexion formuliert werden, mit der die besondere Ästhetik, die durch das Zusammenspiel von lehrhaft-wissenschaftlichen und poetisch-unterhaltenden Aspekten in den Reflexionen entsteht, erschlossen werden kann.
2) Die Personifikation als ästhetische Reflexionsfigur
Die Literaturwissenschaft erklärt Personifikationen bislang meist über das Argument der Veranschaulichung, nämlich dass der Autor zur Verlebendigung und Verdeutlichung der Darstellung Phänomene ohne Bewusstsein in einem Kunstgriff wie Menschen oder personale Wesen erscheinen lässt. Doch ist die Personifikation keineswegs ein simples Stilmittel, sondern – und das ist die primäre Interpretationsrichtung des Projekts – ein komplexes und produktives Verstehens- und Denkmuster, das vor allem in der vormodernen Literatur eine wichtige poetologische Funktion einnimmt. In diesem Sinne wird die Personifikation im literarischen Diskurs oft Vehikel für Konzeptionelles und bietet im Kleinen ein Experimentierfeld für virulente Probleme der literarischen Darstellung. In der Erzählpraxis avancieren die Personifikationen in der mittelalterlichen Literatur für den Erzähler zu Orientierungsangeboten, indem er mit ihnen in eine exklusive Interaktion tritt, die weder dem Rezipienten noch den Figuren zugänglich ist – so entsteht ein besonderer Kommunikationsraum, der auf seine poetologischen Konsequenzen hin zu bewerten ist. Die Personifikation wird im Projekt als transgenerisches Phänomen untersucht und einer forschungsgeschichtlichen Neubewertung unterzogen, indem sie weniger im Zusammenhang mit der Allegorieforschung gesehen, sondern in die Diskussionen der Metaphernforschung einbezogen wird. Zentrum des Projekts ist die germanistische Mediävistik, weil das Denkmuster der Personifikation in mittelalterlichen Texten eine besondere literarische Produktivität entfaltet, es werden aber auch andere europäische Literaturen und Zeitschnitte berücksichtigt.
(Das Projekt befindet sich in Vorbereitung.)
3) Berthold von Holle: Crâne. Edition, Übersetzung und Kommentierung
In seinem Roman Crâne, der wohl vor 1267 entstanden ist, schildert Berthold von Holle in knapp 5000 Versen die Minnehandlung zwischen dem ungarischen Königssohn Gayol und der Kaisertochter Acheloyde, die um das Zentralthema der trûwe komponiert ist. Da die Kaisertochter dem jungen Gayol und seinen zwei Freunden Vogel-Decknamen verleiht (Kranich = Crâne, Falke und Star), ergibt sich ein reizvolles uneigentliches Sprechen, das in der mittelhochdeutschen Erzählliteratur in dieser Form ohne Vorbild ist. Der Stoff um den jungen Ungarnkönig ist nicht anderweitig belegt, sondern scheint frei komponiert. Zugleich arbeitet der Autor, der über breite Kenntnis der mittelhochdeutschen ‚Klassiker‘ verfügt, mit zahlreichen Verweislinien hin zu den hochhöfischen Romanen (besonders deutlich treten die Bezüge zum ‚Willehalm von Orlens‘ des Rudolf von Ems hervor). Die Forschung hat dem Roman bislang – wohl nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Abwertung des Autors zum Epigonen durch Fromm (²VL) und Stackmann (NDB) – wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Neuedition des Textes, der bislang in der Edition von Bartsch aus dem Jahr 1858 ohne Übersetzung und Stellenkommentar vorliegt, soll dies ändern. Die Edition soll neben dem Versroman auch die Prosa-Fassung des Crâne aus dem 15. Jh. berücksichtigen, so dass ein direkter Vergleich Aufschlüsse für die gattungsgeschichtlich relevante Frage der Prosaauflösung mittelalterlicher Versromane liefern kann. )
5)Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst. Edition
Der Frauendienst Ulrichs von Liechtenstein gehört als Gattungshybrid und mehr oder weniger fiktive Minnedienerautobiographie zu den innovativsten Texten des 13. Jahrhunderts und erfreut sich im universitären Lehrbetrieb hoher Beliebtheit. Dennoch gibt es keine zuverlässige kritische Edition, die auch für den Unterricht in Seminar und Vorlesung geeignet wäre. Das Projekt folgt diesem Desiderat und bietet eine kritische Edition, die sich an ein wissenschaftliches Publikum richtet, öffnet den Text zugleich aber durch eine neuhochdeutsche Übersetzung, einen ausführlichen Sachkommentar und ein Nachwort mit zentralen Forschungsfragen für den akademischen Unterricht. Der mittelhochdeutsche Text folgt dem cgm 44, ergänzt durch die Liedüberlieferung in der Manessischen Liederhandschrift cpg 848 und die beiden Frauendienst-Fragmente. Der Stellenkommentar ist neben den üblichen Sacherklärungen vor allem kulturwissenschaftlich/historisch ausgerichtet, um die zahlreichen Anspielungen auf die österreichische Landespolitik und das im Frauendienst dokumentierte Netz historischer Personen zugänglich zu machen.
Die Edition wird in der Reihe „deGruyter Texte“ erscheinen und ist momentan in Vorbereitung.
6)Forschungsprojekt zusammen mit Dr. Thorsten Fitzon (Freiburg, Sprecher), Dr. Dorothee Elm (Freiburg), Dr. Kathrin Liess (Tübingen):
Religiöse und poetische Konstruktion der Lebensalter. Konzeptualisierung und
Kommentierung von Alterszäsuren im Lebenszyklus
(gefördert von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im Rahmen des Win-Kollegs, ausführliche Informationen zum Projekt finden sich hier).
6) weitere Forschungsinteressen:
Literatur des Hochmittelalters, Historische Anthropologie, Kommunikationswissenschaft, Mediengeschichte, Mystik.